Papier; zur Verstärkung der Lagenheftung ist bisweilen ein schmaler Pergamentstreifen (beschrieben) eingeheftet; es handelt sich dabei um die beiden ersten und letzten Lagen des Chorbuchs
codicology:
leergebliebene folios: 1-6, 37v, 38, 61v, 62, 91v-94, 101v, 111v, 120v-121v, 129v, 159v, 160, 171v, 181v, 182, 187v-192, 203v, 204, 213v, 221v, 222, 232v-236v • der Tenor der Kompositionen ist wie bei Chorbuch 34 in spätgotischer Choralnotenschrift aufgezeichnet • kein Schmuck, keine Initialen • Rastrierung: Falz im Papier zur Begrenzung des Schriftspiegels. Maße des Rastrals: 25 mm • Schreiberhände: nur jeweils ein Noten- bzw. Schriftschreiber in der gesamten Handschrift; es handelt sich um die Kombination II/Q • Foliierung: durchlaufende, moderne Foliierung. Reste einer alten Foliierung auf den Blättern (jeweils unten auf dem Verso) 102-106 in roter Tinte. Dort findet sich die Zählung 61-65. Weitere Schriftreste in schwarzer Tinte an gleicher Stelle auf den Blättern 122: [4]., 130: [4], 140:[4] und 150: [Et ies 4] • Sonstiges: Stimmbezeichnungen, Überschriften, Doppelstriche, Atemzeichen, bisweilen auch Fermaten in roter Tinte. Kein Schmuck, keine Initialen. Benutzungsspuren in der Handschrift • Lagenordnung: Die Handschrift besteht - mit Ausnahme der Lage 10 - aus nur einer Papiersorte [X]. Es ingrossiert ausschließlich II/Q. Siehe dazu auch die "Äußere Quellenbeschreibung" des Chorbuchs 34 • Die quellenspezifischen Untersuchungen auch dieser Handschrift wurden bereits im Zusammenhang mit der Kommentierung von Chorbuch 34 vorgenommen. Es sei nochmals auf den nach Schreiber-, Papier- und Einbandgestalt absolut gleichen Charakter dieser beiden Quellen hingewiesen: Nicht nur nach äußeren, technischen Kriterien (etwa gleiche Einbandmaße, gleiche Papiersorten, gleiche Schreiber, Verwendung der Choralnotenschrift, Verwendung gleicher Rollenstempel auf den Einbanddeckeln, ähnliche Disposition der Einbanddeckelverzierung), sondern auch inhaltlich bestätigt sich die enge Zusammengehörigkeit der Chorbücher 34 und 35.
area of text:
32,4 x 48,5 cm
number of line:
Notenzeile 2,5; bis 9 Notenzeilen auf der Seite
font:
Notenschrift: spätgotische Choralnotation
Annotation:
nmerkung: Aufgrund der Einbandanalyse kann diese Handschrift als "mitteldeutsch" eingestuft werden und gehört demnach nicht den süddeutschen Codices, sondern der Wittenberger Quellengruppe an. Die Untersuchung der Einbände hatte ergeben, dass die Chorbücher 34 und 35 genau jene Einbandstempel aufweisen, wie sie für die Wittenberger kurfürstliche Bibliothek charakteristisch sind. Die enge Verwandtschaft der beiden Chorbücher dokumentiert weiterhin die nahezu einheitliche Zusammentsellung aus nur einer Papiersorte. Zudem wurden beide Quellen von nur einem Schreiber ingrossiert; es handelt sich hierbei um II/Q, der damit eindeutig als mitteldeutsche Hand charakterisiert ist. Nach dem bisher vorliegenden Kenntnisstand dürften die Wittenberger Codices entschieden später zu terminieren sein; wie Papier- und Einbanduntersuchung nahelegen, kommt eine Entstehungszeit vor 1510 nicht in Betracht.
Über weite Teile der Handschrift decken sich inhaltliche und lagentechnische Disposition, dies gilt besonders für den zweiten Teil der Quelle. Wichtige Anhaltspunkte vermitteln in diesem Zusammenhang die roten festbezeichnungen auf sonst freiem Recto. In diesem Falle handelt es sich meist um die Übereinstimmung von Faszikel- und Lagenbeginn. Die roten Festbezeichnungen sind kursiv gedruckt.
Es zeigt sich, dass beide Quellen, zwar mit verschiedenem Anfang, sonst jedoch bis auf eine Ausnahme identisch, der gleiche Festkalender zugrunde liegt. Einzige Abweichung ist das Formular "In Ostensione reliquiarum" in Chorbuch 34, welches in Chorbuch 35 nicht erscheint. Bei dem Repertoire handelt es sich um die Hochfeste bzw. die wichtigsten Marienfeste. Danach enthält also Chorbuch 35 das Programm zum "Officium missae", während Chorbuch 34 die Vespergesänge liefert. Eine direkte Bezugnahme der beiden Quellen aufeinander ist damit erwiesen.
Die vorgehenden quellenkritischen Studien haben gezeigt, dass die Chorbücher 34 und 35 ursprünglich auf einen nahezu übereinstimmenden Festkalender bezogen sind; erst als Folge späterer Nachträge ist das heutige, eher divergierende Erscheinungsbild entstanden. Zu dieser inhaltlichen Affinität der beiden Quellen tritt eine äußere, die beiden Chorbücher buchbindetechnisch eindeutig nach Wittenberg lokalisierende.
Ein Blick auf die LIste der liturgischen Verbreitung der in Chorbuch 35 zusammengestellten Formulare offenbart eine relativ umfangreiche Ausdehnung. Als Vorlage für das in Chorbuch 35 vertretene Repertoire kommen diejenigen Liturgica in Betracht, welche eine größtmögliche Übereinstimmung ihrem Inhalt nach erkennen lassen; eine mit allen sieben Festen identische Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Die Prüfung erbringt jedoch, dass drei liturgische Bücher in wenigstens je sechs Fällen mit dem fraglichen Repertoire übereinstimmen. Es handelt sich um die Diözesen Meißen, Merseburg und, was zunächst überraschen muss, auch Würzburg.
Die weitgehend planvolle Anlage und das stilisitisch gleichförmige Erscheinungsbild der beiden Schwesterhandschriften, schließt ein sukzessives Ansammeln des Repertoires weitgehend aus. Nicht nur aus diesen Gründen dürfte Adam von Fulda als Komponist kaum in Frage kommen. Überhaupt muss, da die Chorbücher so eindeutig in der Liturgie des "Großen Chores" verankert sind, die Überlegung angestellt werden, ob nicht aus den Reihen der Kanoniker selbst jemand für die Verfasserschaft in Frage komme. So weit zu sehen ist, kommt aus dem Wittenberger Musikzirkeln nur eine Persönlichkeit in Frage: der aus Lüttich stammende vormalige Sängerkanbe in der Hofkapelle Maximilians I. und später als Komponist in kursächsischen Diensten stehende Adam Rener. Für Rener sprechen zweierlei Gründe: zum einen der Sachverhalt, dass die Kompositionen erst nach 1508, dem Inkraftreten der neuen Kirchenordnung an Allerheiligen, entstanden sein können. Die direkte Bezugnahme auf den in der Schloßkirche greifbaren Bestand an liturgischen Büchern lässt keine andere Möglichkeit, als die der direkten Entstehung in deren unmittelbaren Umkreis zu. Ab 1507 ist Rener in der kurfürstlichen Hofkapelle als Komponist nachweisbar. Es hätte also unbedingt zu seinen Pflichten gehört, die Neukomposition von jenen, die Allerheiligenliturgie nach 1508 repräsentierenden Sätzen, auszuführen.
Über die beschriebenen codicologischen und inhaltlich-liturgischen Aspekte hinaus sind es vor allem auch musikalisch-stilistische Beweggründe, welche die Gruppe der Wittenberger Chorbücher 34 und 35 deutlich von den in Süddeutschland entstandenen Codices abgrenzen: Bereits der äußere notationstechnische Eindruck bestätigt diese Einschätzung. Im Chorbuch 35 sind sämtliche Sätze dergestalt notiert, dass die choraltragende Stimme (ausnahmslos der Tenor) stets in Hufnagelnotation ausgeführt ist, die anderen drei Stimmen dagegen die übliche Mensuralnotation aufweisen. Für Chorbuch 34 gilt gleiches, nur sind sämtliche Psalmkompositionen vollständig in allen Stimmen in Choralnoten dargestellt. Dieses Notationsprinzip bedeutet die Rückkehr zu einer überkommenen cantus-planus-Praxis, die für das zweite Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts kaum mehr als aktuell beschrieben werden kann.
Die originäre Wittenberger Provenienz ist für die Chorbücher 34 und 35 erwiesen. So dokumentieren besonders die als "Schwesterhandschriften" zu benennenden Codices 34 und 35 einen engen Bezug zum zeitgenössischen Bestand an liturgischen Büchern in der Wittenberger Allerheiligenschloßkirche.
literature:
-- Karl Erich Roediger, Die geistlichen Musikhandschriften der Universitätsbibliothek Jena, Bd. 1 (Textband), Jena 1935, S. 54
-- J. Heidrich, Die deutschen Chorbücher aus der Hofkapelle Friedrich des Weisen (Sammlung Musikwissenschaftlicher Abhandlungen, 84), Baden-Baden 1993, S. 349ff.
-- Kathryn Ann P. Duffy, The books of Ordinaries, in: (Dies.), The Jena Choirbooks: Music and Liturgy at the Castle Church in Wittenberg under Frederick the Wise, Elector of Saxony. Vol. 1 & 2, Chicago 1995
-- J. Heidrich, "Jena: Musikhandschriften", in: Musik in Geschichte und Gegenwart: Sachteil, Kassel 1996, 4. Aufl., Sp. 1451-1455, hier: Sp. 1453-1454
helles Leder, origianle Schließen und Beschläge; Reste von Schildern auf Rücken und Deckel; Rollenstempel und Prägung des Leders auf beiden Einbanddeckeln gleich • Beschriftung: modernes Schild auf dem Rücken: "Chorbuch Nr. 35"
Stamp:
Rollelstempel: a. Blütenranke; b. Blütenranke klein
Einzelstempel: c. Granatapfel mit inliegendem Strauß, klein; der inliegende Strauß erscheint auch als Einzelstempel
clasp / application:
origianle Schließen und Beschläge
Watermark:
1. Blume, klein (Herkunft: Mittel- und Oberitalien)
2. Blume, groß (Herkunft: Mittel- und Oberitalien)