leergebliebene folios: 40v, 41, 45v, 46, 79v, 80, 113v, 114, 150v, 151, 168v, 169, 178v, 179, 187v, 188, 190v, 191, 198v, 199, 203v • Beschriftung: aufgeklebter Pergamentzettel: "De scto andrea introitus" • Reste eines alten Beschriftungszettels auf dem Rücken; dort ebenfalls Spuren eines Prägestempels, beides nicht zu identifizieren • im Chorbuch 30 begegnen wir verschiedenen Notenschreibern; der Haupthand nicht nur dieser, sondern sämtlicher der süddeutschen Gruppe zugeordneten Quellen, entspricht die mit H bezeichnete Notenform; dem Notenschreiber H können die Textschreiber I und III zugeordnet werden - es liegt also das Phänomen vor, dass bei Schreiben der Chorbücher eine gewisse Arbeitsteilung vorgenommen wurde • ergänzt werden die süddeutschen Hände I/ H und III/ H, die den weit überwiegenden Anteil ingrossieren, durch die Schreiberhänder Q und R; dabei ist Q eine eindeutig nach Wittenberg zu lokalisierende Hand, denn von ihr werden die Chorbücher 34 und 35 vollumfänglich ingrossiert; dem Notenschreiber Q wird eindeutig und ohne Ausnahme die Schreiberhand II zugeordnet •
area of text:
28,8 x 42,2 cm
number of line:
Notenzeile 1,9; bis 10 Notenzeilen auf der Seite
Annotation:
Die aus dem Quellenbefund so zu lokalisierende Provenienz der Chorbücher 30-33 (mit Weimar A) wird gestützt durch die innere Repertoirebeschaffenheit, denn die in diesen Codices bewahrte Musik spiegelt in deutlicher Weise die Nähe der maximilianischen Hofkapelle wider. Besonders das gehäufte Auftreten von Sätzen des in maximilianischen Diensten stehenden H. Isaac in den sonst weitgehend anonymen Proprien überlieferten Handschriften weist auf die Rezeption dieser Musik während des süddeutschen Aufenthaltes des Kurfürsten; eine bisher angenommene Reise nach Sachsen lässt sich dagegen nach neuerer Prüfung der Quellenlage nicht länger belegen.
Die Propriumskompositionen präsentieren sich in schlichter, sich jeglicher kontrapunktischer Exaltation enthaltenden und fast durchweg vierstimmigen Satzanlage, wobei auf die deutliche Wahrnehmbarkeit der in Discantus oder Tenor befindlichen Choralstimme erkennbares Gewicht gelegt ist. In Bezug auf die Ordinariumszyklen ist für einschlägige Kompositionen H. Isaacs, A. Agricolas, L. Compères, J. Obrechts, A. Brumels, G. Weerbekes, Josquins, M. de Ortos, Johannes Martinis, M. Pipelares und J. Ghiselin-Verbonnets eine Rezeption aus Italien wahrscheinlich.
Das Erscheinungsbild der süddeutschen Chorbücher ist schmuckloser als das der Alamire-Handschriften, und der Gebrauchscharakter dieser Quellen wird schon durch das hier überlieferte lokal geprägte Repertoire deutlich. Die liturgische Disposition namentlich der Propriumszyklen gestattet vielfach einen wichtigen Einblick in die mehrstimmig-liturgische Praxis am kursächsischen Hof, so dass in diesen Handschriften unschätzbare Dokumente der mitteldeutsch-höfischen vorreformatorisch-geistlichen Musikausübung wie auch sprechende Zeugnisse für die internationale Reichweite der Musikrezeption erhalten sind.
Chorbuch 30 gehört zu den Papierhandschriften innerhalb des Jenaer-Musikhandschriften-Komplexes für Kurfürst Friedrich den Weisen. Außerdem ist es der Deutschen Gruppe dieser Chorbücher zu zuordnen. Die deutschen Chorbücher sind keine uneingeschränkte mitteldeutsch-sächsische Eigenleistung, sondern ihre Anfertigung steht, wie neure kodikologische Untersuchungen von Papier, Schreibern und Einbänden zeigen, in engem Zusammenhang mit einem süddeutschen Aufenthalt Friedrichs des Weisen am Hofe Maximilians I. in den Jahren 1497/98.
Literature:
-- Karl Erich Roediger, Die geistlichen Musikhandschriften der Universitätsbibliothek Jena, Bd. 1 (Textband), Jena 1935, S. 52
-- J. Heidrich, Die deutschen Chorbücher aus der Hofkapelle Friedrich des Weisen (Sammlung Musikwissenschaftlicher Abhandlungen, 84), Baden-Baden 1993, S. 27ff.
-- Kathryn Ann P. Duffy, The books of Ordinaries, in: (Dies.), The Jena Choirbooks: Music and Liturgy at the Castle Church in Wittenberg under Frederick the Wise, Elector of Saxony. Vol. 1 & 2, Chicago 1995, S. 399ff.
-- J. Heidrich, "Jena: Musikhandschriften", in: Musik in Geschichte und Gegenwart: Sachteil, Kassel 1996, 4. Aufl., Sp. 1451-1455, hier: Sp. 1453-1454
Verzierungen mittels folgender Stempel: Gitterrolle, Rundbogenfries, Granatapfel mit inliegendem Strauß, Springende Tiere • alle Stempel weisen nach Augsburg, denn als kennzeichnend für die dortigen Buchbinder gilt die häufige Verwendung von Bogenfries-, Gitter-, Jagd- und Blütenrollen mit Vögeln • der fragliche Buchbinder ist dem Namen nach nicht bekannt
Cover description:
heller Leder, stark abgegriffen • Rollenstempel und Prägung des Leders auf beiden Einbanddeckeln gleich • zwei restaurierte Schließen • Kantenschutz, Beschläge aus Eisen (fehlt hinten links oben)