Lagen: IV (7) + 12 IV (103) + (IV+1) (112) + I (113) • Schlussblatt der ersten Lage (Bl. 7) Gegenblatt zum vorderen Spiegel • Bl. 113 Gegenblatt zum hinteren Spiegel • von Bl. 25 unten rechts ein Stück herausgeschnitten • Bl. 9, 30, 57 am Rand durchlöchert, teilweise auch im Innern • die Tagesdaten sind rot und blau gezeichnet • kunstvolle rote und blaue Initialen (die Buchstaben KL auf Bl. 1r und 19r umfassen jeweils 6 Zeilen sowie auf Bl. 41v, 49v, 67r, 85v und 97v jeweils 8 Zeilen umfassend • hinter den zu den einzelnen Tagen gehörigen Märtyrergeschichten finden sich regelmäßig kolorierte Federzeichnungen, meist 5 Zeilen umfassend (insgesamt 366) • für den Text des 17. Dez. sind zwei Zeichnungen vorhanden: Themen sind z.B. die Hinrichtung der hl. Martina, des hl. Stephanus, der hl. Genoveva: es finden sich ferner Bilder von Taufen, von einer Schifffahrt (Bl. 77v), einer Stadt (Bl. 77v) usw. • von Bl. 1v-33r hat eine Hand zu den Bildern die Silben des Cisiojanus hinzugefügt
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17,3 x 11,7-12,7 cm (1r-109v); 17,3 x 14,0-14,5 cm (110r-112v)
Das um 1275 entstandene, von einem unbekannten Auftraggeber initiierte, aufgrund der Schreibsprache nach Thüringen zu lokalisierende Jenaer Martyrologium gilt als das älteste deutschsprachige Martyrologium. Es ist nur in Ms. Bos. q. 3 überliefert und handelt sich um die Abschrift einer deutschen Vorlage, die nicht vor 1220/30 entstanden sein kann und vermutlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts anzusetzen ist. Der Einband ist über 200 Jahre jünger als der Buchblock.
Die Handschrift weist auf dem hinteren Buchdeckel Kettenspuren auf. Die Kette hatte sie in den 1530er Jahren in Wittenberg erhalten. Dort gehörte die Handschrift zur um 1500 vom sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen (1463-1525) begründeten Schloss- und Universitätsbibliothek (Bibliotheca Electoralis). Dies ist durch Hinweise an der Handschrift selbst - neben den Kettenspuren die typische Wittenberger Form und Beschriftung des Titelschilds auf dem Vorderdeckel ("Deutsch Martirologium auff Pergamen") -, vor allem aber durch entsprechende Einträge in Wittenberger Bibliothekskatalogen gesichert. Wann und wie die Handschrift nach Wittenberg gekommen war, lässt sich nicht rekonstruieren. Friedrich der Weise hatte mehrere Klöster aufheben lassen und deren Bibliotheken weitgehend umverteilt oder seiner Bibliothek einverleibt. Aus einem Kloster seines Herrschaftsbereiches könnte auch das Jenaer Martyrologium stammen. Im Jahr 1549 gelangte die Bibliotheca Electoralis und damit auch die Handschrift nach Jena. Die heutige "Ms. Bos."-Signatur der Handschrift verweist auf Johann Andreas Bose (1626-1674), einen Juristen und seit 1656 Professor für Geschichte in Jena, aus dessen Besitz viele Handschriften an die Jenaer Bibliothek gelangten. Doch stammt das Jenaer Martyrologium wie gesehen keinesfalls aus Boses Bibliothek. Die historisch unzutreffende Signierung erklärt sich daraus, dass von Jenaer Bibliothekaren um 1702/04 das Martyrologium irrtümlich den "Manuscripta Bosiana" zugeordnet wurde.
Es ist anzunehmen, dass das Jenaer Martyrologium seit dem 13. Jahrhundert in Thüringen vor einem geistlichen Publikum, das Latein nur unzureichend verstand, eingebunden in regelmäßige geistliche Verrichtungen wohl nach dem gemeinsamen Chorgebet von einem Vorleser oder einer Vorleserin in Abschnitten, die zum jeweiligen Festtag der Märtyrer passten, verlesen wurde. Leser verschiedener Jahrhunderte haben auf den ersten rund 30 Blättern der Handschrift kleine kalendarische Notizen gemacht: einzelne Silben eines Cisiojanus, in dem die Anfangsbuchstaben der Namen von Heiligen in der Reihe ihrer Festtage erscheinen.
Die Handschrift wurde im Jahre 1953 restauriert.
literature:
-- Friedrich Wilhelm, Das Jenaer Martyrologium und die Unterweisung zur Vollkommenheit, in: Münchener Museum für Philologie des Mittelalters und der Renaissance 5 (1928-1932), S. 1-105
-- Kurt Hannemann, Unterweisung zur Vollkommenheit. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 1. Auflage. Bd. 4 (1953), Sp. 639-650
-- Ingeburg Neumeister, Die Miniaturen eines deutschen Prosamartyrologiums in der Handschrift Bos. q. 3 der Universitätsbibliothek zu Jena. Ein Beitrag zur thüringisch-sächsischen Buchmalerei, Examensarbeit masch. Jena 1958
-- Günter Kämpf, Die Sprache der Unterweisung zur Vollkommenheit (Bose q. 3 der Universitätsbibliothek Jena). Ein Beitrag zur Sprachgeschichte der thüringischen literarischen Texte des 13. und 14. Jhs., Diss. (masch.) Jena 1965
-- Werner Williams-Krapp, Jenaer Martyrologium. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage. Bd. 4 (1983), Sp. 517
-- Franzjosef Pensel, Verzeichnis der altdeutschen und ausgewählter neuerer deutscher Handschriften in der Universitätsbibliothek Jena. Berlin 1986, S. 35-36
-- Karin Schneider, Gotische Schriften in deutscher Sprache I: Vom späten 12. Jahrhundert bis um 1300. Textband, Wiesbaden 1987, S. 273
-- Volker Honemann, Unterweisung zur Vollkommenheit. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage. Bd. 10 (1999), Sp. 104-106
-- Irmgard Kratzsch, Schätze der Buchmalerei. Aus der Handschriftensammlung der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Jena 2001, S. 39-44.
-- Bernhard Tönnies. Die Handschriften der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Band I: Die mittelalterlichen lateinischen Handschriften der Electoralis-Gruppe. Wiesbaden 2002, S. 18
-- Irina Denissenko, Das Jenaer Martyrologium (Ms. Bos. q. 3). Hagiographische Inhalte in Text und Bild. Magisterarbeit Jena 2004
Arbeit der Werkstatt des Erfurter Buchbinders Nikolaus von Havelberg, vgl. I. Schunke / K. v. Rabenau: Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen, nach Motiven geordnet und nach Werkstätten bestimmt und beschrieben, Bd. 2: Werkstätten, Berlin 1996 (Beiträge zur Inkunabelkunde, 3. Folge, 10), S. 84 (Hs. mit falscher Signatur genannt) - auf dem Vorderdeckel Wittenberger Titelschild: "Deutsch Martirologium auff Pergamen" - vorn im Innendeckel die Signatur Bose 4° 3 - auf dem Lederbezug befinden sich Streicheisenlinien und Einzelstempel
clasp / application:
2 Messingschließen in Gestalt einer heraldischen Lilie