Bei der Inventarisierung des Archivs des südwestfälischen Adelsgeschlechtes von Romberg entdeckte der Münsteraner Archivrat Merx um 1910 ein Pergamentdoppelblatt, das quergefaltet als Umschlag für Kornabrechnungen des Rotger von Diepenbrock aus dem Jahre 1522 diente (Rombergsches Archiv, Haus Buldern, Akten Nr. 865). Das zweispaltige Doppelblatt, das nicht das innerste Doppelblatt einer Lage bildet, überliefert neben 26 Walther-Strophen auch eine vollständige (Palästinalied) und drei fragmentarische Strophen-Melodien (zu Cormeau 115; zweiter Stollen des König-Friedrich-Tones; erster Stollen des 2. Philippstones) in gotischer deutscher Choralnotation und bildet damit die "wichtigste Quelle für Melodien Walthers" (Horst Brunner). Die auf fünf Notenlinien notierten Melodien sind mit einem c-Schlüssel und einem f-Schlüssel versehen, dies erlaubt die Bestimmung der Tonhöhe; der Rhythmus indes lässt sich nicht rekonstruieren. Strophenanfänge sind durch rote Lombarden, Stollenanfänge und Abgesangsanfänge wenigstens teilweise durch rote Majuskeln markiert, damit ist das kolometrische System insgesamt etwas weniger aufwendig als das der Jenaer Liederhandschrift. Die nicht abgesetzt notierten Verse werden durch rot durchstrichelte schwarze Majuskeln markiert. Inhalt des Fragments ist das Palästinalied sowie Spruchdichtung im König-Friedrichston und im Zweiten Philippston. Fünf Walther-Strophen sind nur in diesem Fragment überliefert. Die 1 ½ Zeilen Daz eyme wol getzogenen man / Tzvr werl[...] unter der Angabe Meyster Reymar lassen sich keinem Autor zuweisen. Die Handschrift wurde nach geläufiger Forschungsmeinung um 1330 in mitteldeutscher Schreibsprache von einem vermutlich westfälischen Schreiber geschrieben (Thomas Klein). Der Sprachstand erinnert auf den ersten Blick an den der Jenaer Liederhandschrift, die Übereinstimmungen seien nach Karl Bartsch derart auffallend, dass "dieses Blatt ohne weiteres in J stehen könnte." Mit dem Jenaer Codex teilt das Münstersche Fragment zudem ein Überlieferungsinteresse an Spruchdichtung. Dass es allerdings aus einer verloren gegangenen Liederhandschrift stammt, wie öfters behauptet, lässt sich bezweifeln: Seiteneinrichtung und buchbinderische Verarbeitung legen nahe, dass das Doppelblatt aus einer Handschrift stammt, die auch Konrads von Würzburg 'Goldene Schmiede' (Münster, Staatsarchiv, Msc. VII 2d, 29) überlieferte.